Vogelwilde unterwegs

"Du host doch an Vogel, du Hundsgrippe. "

Wenn Sie, verehrte Leser, diesen Satz hier aus dem Kontext gezerrt lesen, wird sich Verwirrung breit machen. Zumindest unter den Nonbajuwaristen unter Ihnen. Warum sind der Vogel und die scheinbar zugehörige Grippe syntaktisch soweit von einander entfernt? Wie spielt der Hund da hinein?

Tensfelder klärt auf: Ich hab das an der Uni meinen Studenten auch gezeigt und einige der Regensburger Einheimischen haben's auch sofort geschnallt. Die vermeintliche Grippe ist in Wirklichkeit der umgangssprachliche "Krüppel", das "K" ist lautlich zum "G" geworden, während das "ü" sich auf seinen Urlaut "i" reduziert. Ich will Sie jetzt nicht mit Grimm und Verner vergraulen, deshalb einfach schnell die Übersetzung:

"Du bist doch bescheuert, du Hundskrüppel."

Hundskrüppel mag brutal klingen, ist aber lediglich ein im Bayerischen gerne verwendeter Terminus Vulgaris, der einer Beschimpfung dient, die einem völlig alltäglichen Grant entspringen kann.

Warum ich Ihnen das alles erzähle? Keine Ahnung, ich hab leichtes Fieber, da kommt man schon mal auf abenteuerliche Gedankenausflüge. Kapiert?
la gitana - 30. Okt, 20:52

Gschwerl
kommt von Geschwirre, halli hallo das könnt schon sein und tät in dem Fall direktemang hineinpassen

Fons Tensfelder - 30. Okt, 21:33

Beste Gitana, das wär in dem Fall ein semantisch wie terminologisches Direktmandat. Ich bin recht entzückt über deine behenden Assoziationsausbrüche. Vielleicht geh ma mal wieder auf eine Melange, wenn ich wieder in Berlin auf einem Kongress bin.

la gitana - 30. Okt, 22:38

Eine Melange synonymisiert Klugheit, verehrter Herr Tensfelder. Ohne zu wissen, was in ihrem Bewußtseinhafen so einfährt - einen Macchiato hätt ich Ihnen nicht mal versucht zu verzeihen.

Fons Tensfelder - 30. Okt, 23:51

Bei mir is des halt so: Ich bin jetzt beruflich ein Jahr in Barcelona gewesen, da war's recht warm. Jetzt hock ich wieder in dem Nebelloch Regensburg und muss aber in lehelmäßigen Abständen nach Minga und Berlin. Ich weiß gar nicht wo mir der Kopf steht vor lauter Arbeit. Mein Bewußtseinshafen lässt in letzter Zeit echt jede abgewrackte Barkasse rein und die Ozeandampfer voll mit südfruchtbarem Gedankengut hängen irgendwo bei den Canaren fest. In Berlin muß ich diesen Vortrag halten: "Honigadel im Gegenlicht der Entzweiten. Eine Synthese von Kausaldefiziten im Idiolekt der postmodernen Ränke." Wenn sie sich auch schon mal schlau machen wollen, Gitana, könnten wir uns beim Kaffee fundierter austauschen.
neo-bazi - 31. Okt, 02:11

Bloß weil du nicht paranoid bist,

heißt das noch lange nicht, daß sie nicht hinter dir her sind! Die Dekonstruktivisten, die ihre skeptische Methode auf den schlechtesten und besten Tendenzen von Freud bis Buddha aufbauen, lassen einen mit dem Gefühl zurück, daß man keiner Kommunikation zutrauen kann zu sagen, was sie bedeutet, oder zu bedeuten, was sie sagt. Das hab ich gestern in meinem Fernstudium gelernt. Ist doch einleuchtend, oder?

(f)

..........

Anm.d.Bazi-Red.:

(f) 1 KleinesF = teilweise geklaut

(ff) 2 KleineFs = vollständig geklaut

Fons Tensfelder - 31. Okt, 10:22

Klar wie Schorsbrühe, Bazi. Ich habe mich neulich mit dem Schorsch Hebbel unterhalten und der hat ja gesagt, dass Kommunikation nichts anderes ist als ein soziopathisches bengalisches Feuer und die Wahrheit sich dennoch nicht hinter einem Mantel des Schweigens befindet, woraus sich ergibt, dass wenn man am Ende das Maul hält, zwar besser dasteht, aber letztlich auch nichts davon hat. Dieses ganze Für und Wider ist mir persönlich auch zuwider, deshalb halte ichs mit der Pragmatik und Sinngebern wie Baudelaire, der da sagt:

"Die Männer, die mit ihren Frauen am besten auskommen, sind dieselben, die wissen, wie man ohne sie auskommt."

In der Bewegung liegt die Kraft, lieber Bazi.
la gitana - 31. Okt, 10:18

Ja, ich wollt grad sagen ich hab mir da schon mal was überlegt.
Vorstechendste Eigenschaft des Honigs ist sein Sinn fürs Kleben.
Entzweit sind Geschiedene im Grossen Ganzen. Eidotter und Eiweiß genauso wie die klassische Scheidung von vorher Geheiratetem.
Wer das nun nicht erdulden will, das schon Entzweite stoisch rettet und klebrig einfach bleibt erfährt eine moraliche Weihe, wird erhöht, auch honiggeadelt.
Gegenlicht weißt auf den Sommer hin, die Sehnsucht nach der Wärme. Ein autobiographische Verflechtung Herr Tensfelder möchte ich mutmaßen.
Eine angefressene Ursache ist unvollständig, sie mangelt, sie unzurechnet. Die daraufhin eingeleitete Synthese auf kittendem Untergrund, ja ohne Prophet zu sein kann man vermuten, auf der Matratze eines Idiolekt heilt und tröstet, vollendet These und Antithese.
Warum Sie zum Schluß die Botanik ins Spiel bringen – andere machens mit Briefmarken.

@Neo-Bazi: Ich kenn nur die positiven Konstruktivisten, die behaupten, dass jeder eine eigene Sprache spricht und DAS IST SO: Jaha.

Fons Tensfelder - 31. Okt, 10:26

Auf Sie kann man zählen Gitana und zwar weiter als bis drei. Auf der Matratze meines Idiolekts hab ichs mir längst gemütlich gemacht und mittlerweile erstrecke ich mich über Dekaden und Dekaden im Sud meiner eigenen Antithesen. Dass es Ihnen ähnlich zu ergehen scheint, weiht uns als große Nachdenker im Strom kurzlebiger Zeitgeistlicher. Ich schlage vor, wir bleiben in verbalem Vollkontakt, beste Gitana.
neo-bazi - 31. Okt, 12:00

Sprache, und noch dazu die eigene, daß ich nicht lache! Wir sprechen zwar zueinander, ja, aber wir verstehen uns nicht. Meine Worte sind doch nichts weiter als Stöße, die an euren Worten abprallen. Die Sprache gehört nicht zu den means of communication , das ist eine Illusion. So, und darum halt ich jetzt die Schnauze. Jaha.
saoirse - 31. Okt, 13:00

schön

mach weiter so, das gibt einen link unter den linguistik-blogs ;-)
freue mich und heiße dich willkommen!

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